- wirtschaftspolitisches Ziel
- 1. Begriff: Sollzustand einer real erfassbaren wirtschaftlichen Größe, dessen Ist-Zustand von den wirtschaftspolitischen Entscheidungsträgern als unerwünscht angesehen und dessen Erreichung über den Einsatz geeigneter ⇡ wirtschaftspolitischer Mittel angestrebt wird.- 2. Systematische Gliederung: Eine monovariable Allgemeinformulierung des w.Z., wie etwa den Wohlstand der Nation zu vermehren oder die gesellschaftliche Wohlfahrt zu maximieren, stellt sich i.d.R. als nicht praktikabel heraus. Stattdessen wird eine Vielzahl von Zielen (z.B. Unterziele des Wohlfahrtsziels) spezifiziert.- Die spezielle Ausformulierung der w.Z. leitet dabei mehr und mehr von der allgemeinen ⇡ Wirtschaftspolitik zur speziellen Wirtschaftspolitik über. Die zielorientierte Spezialisierung der Wirtschaftspolitik kann nach dynamischen, sektoralen, regionalen, strukturellen und sozialen Aspekten erfolgen. Im Einzelnen zählen (1) zu den dynamischen Zielorientierungen ⇡ Wachstumspolitik und ⇡ Konjunkturpolitik (Stabilitätspolitik) mit den Einzelzielen Geldwertstabilität und Vollbeschäftigung, (2) zu den sektoralen Zielorientierungen ⇡ Agrarpolitik, ⇡ Industriepolitik und ⇡ Handelspolitik mit den Unterteilungen in Binnen- und Außenhandel, (3) zu den regionalen Zielorientierungen ⇡ Entwicklungspolitik, (4) zu den strukturellen Zielorientierungen ⇡ Energiepolitik, ⇡ Verkehrspolitik, Rohstoffpolitik – diese drei werden vermehrt auch der ⇡ Umweltpolitik untergeordnet – und die Kommunikationspolitik mit den Untergebieten Medien- und Nachrichtentechnik sowie (5) zu den sozialen Zielorientierungen Gesundheitspolitik, Sozialhilfepolitik und Rentenpolitik. Die Grenzziehung zu vielen vormals als rein gesellschaftspolitisch angesehenen Politikfeldern wird dabei zunehmend durch die wirtschaftlichen Implikationen und Interdependenzen aufgehoben.- 3. Formelle Charakteristik: Bes. im Hinblick auf eine Steuerung der w.Z. durch einen geeigneten Instrumenteneinsatz sind die formellen Eigenschaften von w.Z. von Bedeutung. Zwei Aspekte stehen dabei im Gegensatz: Die ⇡ Operationalisierbarkeit und der Repräsentationsgehalt der Zielvariablen. Daneben besteht das Aggregationsproblem, individuelle Wirtschaftsziele (i.Allg. die individuelle Nutzenmaximierung) zu einer gesellschaftlich getragenen wirtschaftspolitischen Zielgröße (z.B. gesellschaftliche Wohlfahrt) zusammenzufassen (⇡ Aggregation).- Dabei können unlösbare Widersprüche entstehen (⇡ Arrow-Paradoxon) oder Ziele formuliert werden, die entweder wegen ihrer unpräzisen Formulierung nicht operationalisierbar sind (z.B. das Ziel, einen allgemeinen Konjunkturaufschwung herbeizuführen) oder als Scheinziele den eigentlichen Zielgehalt nicht repräsentieren (z.B. als Indikator des Konjunkturaufschwungs den Wert der vergebenen Staatsaufträge zu wählen und das Ziel der Verdoppelung dieses Wertes anzustreben).- I.d.R. gilt: Je höher der Aggregationsgrad der Zielformulierung ist, um so geringer ist die Operationalisierbarkeit. Je höher die Operationalisierbarkeit, um so geringer der Repräsentationswert der Zielformulierung.- 4. Zielinterdependenzen: Die Disaggregation umfassender Gesamtziele (z.B. die gesellschaftliche Wohlfahrt) in mehrere Unterziele wird in der deutschen Wirtschaftspolitik z.B. als magisches Vieleck bezeichnet – speziell als magisches Dreieck (Vollbeschäftigung, Preisstabilität, Zahlungsbilanzgleichgewicht) und als magisches Viereck (magisches Dreieck plus Ziel des angemessenen Wachstums).- Zwischen diesen und anderen Unterzielen können Zielkonflikte auftreten, die eine gleichzeitige Verfolgung bestimmter Zielkombinationen verhindern. Nach dem Phillips-Theorem ist z.B. die gleichzeitige Erreichung von Vollbeschäftigung und Geldwertstabilität (z.B. 1 Prozent Arbeitslosenquote und 0,5 Prozent Inflationsrate) unmöglich. Neben diesen horizontalen Zielkonflikten unter den Einzelzielen besteht grundsätzlich ein potenzieller Zielkonflikt zwischen den Unterzielen und dem mittels Erreichung dieser Unterziele angestrebten Gesamtziel, da dieser Zusammenhang nicht hinreichend bekannt ist (⇡ Ziel-Mittel-Zusammenhang).
Lexikon der Economics. 2013.